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Wie geht es voran in Berlin mit gemeinschaftlichen und genossenschaftlichen, selbstorganisierten Wohnprojekten und weiteren gemeinwohlorientierten räumlichen Initiativen?
Wie sind die EXPERIMENTDAYS als entsprechende Netzwerkveranstaltung weiter zu entwickeln?

Eine Erklärung. Berlin. April 2019

Die EXPERIMENTDAYS machen im Jahr 2019 eine nicht nur wohlverdiente sondern auch notwendige Pause. Die Zahl kollektiv selbstorganisierter Wohnprojekte und weiterer gemeinwohlorientierter räumlicher Initiativen, ist auch wegen explodierender Immobilienpreise sehr gering. Umso mehr gilt es für uns, die seit 15 Jahren stattfindenden EXPERIMENTDAYS noch intensiver als bisher hinsichtlich der sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Entwicklung der gesamten Stadt auszurichten. Die entsprechenden Kulturen der Teilhabe sind in Berlin in besonderer Art und Weise hochqualitativ ausgeprägt. Allerdings sind diese weit gefächerten Potentiale immer noch nicht verbindlich und langfristig eingebunden in die Gestaltung der bestehenden sowie neuen Quartiere. Es muss also insbesondere an den grundlegenden Strukturen der Stadtentwicklung gearbeitet werden.

Die Lage auf dem Immobilienmarkt umzukehren, klar und deutlich zu einer entsprechenden Stadtentwicklungspolitik beizutragen und hierbei in breiten Bündnissen, sprich, so eng wie möglich mit Berlins Aktivist*innen, gemeinwohlorientierter Immobilienwirtschaft und Wissenschaft sowie Politik und Verwaltung zusammenzuarbeiten, ist uns deswegen ein ganz besonderes Anliegen. In diesem Jahr sind wir dabei das daraus folgende wie weiter…? mit den bisherigen sowie neuen Partner*innen in entsprechend konzeptionellen Runden eruieren.

Anders gesagt: Es hilft nur wenig, wenn pro Jahr eine Handvoll Projekte gefördert werden aber parallel das Wohnen für die Mieter*innen dieser Stadt zunehmend unbezahlbar wird und somit tausende Menschen aus ihren jeweiligen Nachbarschaften / Sozialräumen verdrängt werden. Und es hilft auch wenig, sollte in 2019 dies und das neue Projekt per Konzeptverfahren entstehen, wenn gleichzeitig vielzählige und teils jahrelang bestehende Projekte von Räumungen oder anderen Schikanen bedroht sind.

Oder noch einmal anders gesagt: Wir haben die EXPERIMENTDAYS seit 2003 mindestens einmal im Jahr veranstaltet, haben in der Zeit zahlreiche selbstorganisierte Wohnprojekte und weitere gemeinwohlorientierte räumliche  Initiativen vermittelt und vernetzt und dabei den Austausch über bottom-up Stadtentwicklung über Jahre befördert. Die in den letzten Jahren erfahrene Wertschätzung seitens Politik und Verwaltung genügt allerdings nicht mehr, um die oben skizzierten Herausforderungen zu meistern. Das jährliche oft erst späte Wissen ob und und in welcher Höhe die EXPERIMENTDAYS öffentlich gefördert werden, widerspricht den aktuellen Herausforderungen. Auch entspricht die bisherige Anerkennung den erwähnten Potentialen zur tatsächlich demokratischen Entwicklung der Stadt nicht. Die Zahl der Menschen, welche an einem Berlin mitwirken wollen, dass sie das ihre nennen, ist enorm groß! Und sie wächst!

Es ist uns deswegen ein besonders Anliegen, noch intensiver als bisher im Sinne aller Berliner*innen zusammenzuarbeiten und unsere Arbeit hierfür auf noch breitere Füße zu stellen, die Kooperation mit Berlins Zivilgesellschaft sowie Politik und Verwaltung entsprechend neu auszurichten. Im Anschluss deswegen auch eine kurze Übersicht, die einen Eindruck von der Entwicklung der EXPERIMENTDAYS seit 2003 gibt, und die Anregung sein soll, die weitere Gestaltung der EXPERIMENTDAYS im Kontext der aktuellen Stadtentwicklung zusammenzudenken.

id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit
mit der EXPERIMENTDAYS Planungsgemeinschaft

Fünfzehn Jahre EXPERIMENTDAYS
bzw. Vernetzung und Austausch gemeinschaftlicher und genossenschaftlicher, selbstorganisierter Wohnprojekte und weiterer gemeinwohlorientierter räumlicher Initiativen

Oder: Die EXPERIMENTDAYS im Kontext der Berliner Immobilien-, Wohn- und entsprechenden Mietenpolitik

2003 – 2004
Kontext:
● Die große Zeit der Selbsthilfe-Projekte sowie der Besetzungen ist vorbei
● Die Phase der Zwischennutzungen und spontaner Raumaneignungen hält an
● Einige wenige Genossenschaften entwickeln weiterhin Projekte
EXDAYS: durchstarten ohne Unterstützung der Senatsverwaltung
2003: Anhalter Garten, Ben Wagin, RAW-Friedrichshain
2004: ufaFabrik

2005 – 2013
Kontext:
● Keine fördernde Wohnpolitik mehr
● hunderte neue Projekte durch Baugruppen, Baugemeinschaften, Genossenschaften sowie
Mietshäuser Syndikat entwickeln sich
● erste Schritte hin zu einer neuen Immobilienpolitik, u.a. forciert durch die Initiativen Stadt Neudenken und Kotti & Co
● Nach Jahren der Stagnation beginnt die Zahl der Berliner*innen zu steigen; die Bodenpreise und Mieten steigen ebenso
EXDAYS: Unterstützung bzw. Co-Finanzierung durch die Senatsverwaltung
2005: Akademie der Künste
2006: Kühlhaus + Kalkscheune
2007: die WABE
2008: uferhallen
2009: uferhallen
2010: Forum Factory
2011: DAZ, Katerholzig + Radialsystem
2012: ufaFabrik
2013: Tempelhofer Feld, Zollgarage

2014 – 2019
Kontext:
Die neue, am Gemeinwohl orientierte Immobilien-, Wohn- und Mietenpolitik wird schrittweise verstärkt R2G Koalition kommt
● Berlin wächst von Jahr zu Jahr mehr, die Bodenpreise und Mieten explodieren entsprechend
● Wie unzählige angestammte Mieter*innen, so werden auch gemeinschaftliche und genossenschaftliche, kollektiv selbstorganisierte Wohnprojekte und weitere gemeinwohlorientierte
räumliche Initiativen zunehmend aus der inneren Stadt verdrängt
● Die Konkurrenz nimmt zu, nicht nur mit den inzwischen unzähligen privaten Investoren sondern auch mit den wieder gestärkten Wohnungsbaugesellschaften
● Private, gemeinwohlorientierte Strukturen, wie das Community Land Trust Modell, werden für Berlin auf den Weg gebracht
EXDAYS: weiterhin jahresweise neu zu beantragende Unterstützung durch die Senatsverwaltung
2014: Spreefeld
2015: Friedrich-Ebert-Stiftung
2016: Friedrich-Ebert-Stiftung
2017: Friedrich-Ebert-Stiftung, CRCLR House, Vollgut
2018: Prinzessinnengarten, Haus der Statistik, RAW-Friedrichshain

FAZIT
Die EXPERIMENTDAYS, 2003 vom id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit initiiert, von Anfang an in Kooperation mit zahlreichen Projekten, Initiativen und Netzwerken, Expert*innen und Aktivist*innen, um zu vermitteln und zu vernetzen:
Austausch zwischen denen, die (Wohn)Projekte suchen, und denen, die (Wohn)Projekte anschieben, fördern und entwickeln, dabei stets auch danach strebend, die Aufmerksamkeit für solche Initiativen möglichst breit in die Stadtgesellschaft zu kommunizieren.

Inzwischen entstehen solche Projekte kaum noch – obwohl die Nachfrage Jahr für Jahr gewachsen ist, und obwohl zunehmend gilt, die erprobten Praktiken des kollektiv selbstorganisierten Wohnens und weiterer gemeinwohlorientierter räumlicher Initiativen in der gesamten Stadt produktiv zu machen. Aber: Die entsprechenden Akteure haben und/oder bekommen keinen Zugang zum Boden bzw. können nicht mit den am Markt dominierenden Investoren und nicht einmal mit den Wohnungsbaugesellschaften mithalten.